Anwendungen

Inhalt:

Texturmodifizierende Technologien

Verformung und Rekristallisation

Zur Homepage

Texturmodifizierende Technologien

Der wichtigste Parameter zur Beschreibung der Anisotropie polykristalliner Werkstoffe ist durch die Textur gegeben. Eine geregelte Textur, bei der die Kristallite einer Phase bestimmte Vorzugsorientierungen innehaben, bewirkt durch die über die Gitterstruktur der Kristallite bedingte Anisotropie physikalischer Eigenschaften eine solche auch für das polykristalline Material. Die maximal mögliche Anisotropie ist dabei offensichtlich durch die Anisotropie der entsprechenden Einkristalleigenschaft vorgegeben und wird erreicht, wenn alle Kristallite der betrachteten Phase gleich orientiert sind. Im Falle einer regellosen Textur, wobei alle Orientierungen gleich häufig vorhanden sind, ist das Verhalten des polykristallinen Materials isotrop (man sagt quasi isotrop), obwohl seine Bausteine (Kristallite) selbst ein anisotropes Verhalten zeigen.

Die folgende Abbildung zeigt den Zusammenhang zwischen Textur, Technologie und Eigenschaft am Beispiel einer gewalzten Aluminiumfolie:


Quelle: D.R.Askelund, Materialwissenschaften

Die Eigenschaften des Vielkristalls sind, wie die des Einkristalls, richtungsabhängig falls keine regellose Textur vorliegt. Dies verdeutlichen die im Zugversuch bestimmten Größen der Streckgrenze, Zugfestigkeit und Bruchdehnung an Streifen, die in verschiedenen Winkeln relativ zur Walzrichtung entnommen wurden.


Quelle: D.R.Askelund, Materialwissenschaften

Durch gezielte Erzeugung bestimmter Texturen können die anisotropen Eigenschaften eines Werkstoffes innerhalb der oben erwähnten Grenzen variiert, und so den jeweils vorliegenden Einsatzbedingungen angepaßt werden. Den Prozessen plastische Deformation und Rekristallisation kommt dabei die größte technische Bedeutung zu. Die Fähigkeit der kristallinen Phasen, sich plastisch verformen zu können, beruht vor allem auf der Entstehung und Bewegung von Versetzungen und der Zwillingsbildung. Dagegen wird während der Rekristallisation, die z.B. durch thermische Behandlung , die Dichte der Versetzungen reduziert. Thermodynamisch bedingte Phasenübergänge innerhalb einer Legierung oder eines Minerals verursachen sogenannte Transformationstexturen, die durch feste Orientierungsbeziehungen zwischen Ausgangs- und Endkristallen beschrieben werden können.

Die Synthese dünner, polykristalliner Schichten ist sowohl mit einer spezifischen Textur als auch mit oft hohen Eigenspannungen verbunden. Die Ausprägung von Textur und Eigenspannungen variiert mit den Parametern des gewählten Herstellungsverfahrens. Beide Gefügeparameter beeinflussen so in erheblichem Maße die Einsatzmöglichkeiten der Schichten. Sowohl der ionengestützte PVD Prozeß als auch die Ionenimplantion mit hoher Energie gestatten durch Anpassung der speziellen Syntheseparameter (Richtung und Energie des Ionenstrahls, Temperatur etc.) eine erhebliche Modifikation der Schichttextur.

Prozesse, die zur Modifikation von Texturen führen, sind also aüßerst mannigfaltig und häufig insofern noch nicht verstanden, daß diese auch mathematisch simuliert werden können. Zur gezielten Eigenschaftsoptimierung ist dieses tiefergehende Verständnis jedoch nicht immer erforderlich. Oft genügt es die Frage zu klären, ob die Textur zum gewünschten Eigenschaftsprofil mit der vorhandenen Technologie erzeugt werden kann. Wichtigstes Ziel der Texturanalyse ist somit die Bestimmung der Schnittmenge zwischen den technologisch möglichen und den optimalen Texturverteilungen.



Zum Inhalt

Verformung und Rekristallisation

Die plastische Verformung eines Kristalls vollzieht sich durch Abgleiten von Atomschichten(Gleitebenen) längs bestimmter Gleitrichtungen durch Einwirkung von Schubspannungen. In niedrig symmetrischen Kristallen kann die Verformung auch durch Zwillingsbildung hervorgerufen werden.
Als Gleitebenen werden meist die am dichtesten mit Atomen besetzten Netzebenen wirksam. Gleitrichtungen sind Richtungen dichtester Packung innerhalb der Gleitebene. Der Gleitvorgang beginnt in dem Gleitsytem, in dem zuerst die kritische Schubspannug erreicht wird. Wie das folgende Beispiel zeigt, ändert ein Kristall während der Verformung seine Orientierung:


Die axiale Streckung eines Einkristalls (a) induziert das Abgleiten in dem Gleisystem mit der geringsten kritischen Schubspannung (b) was gleichzeitig eine Orientierungsänderung (c) mit dem Winkel R bewirkt.
Für die Verformung des Vielkristalls gelten die gleichen Gesetzmäßigkeiten, mit dem Unterschied das dieser aus vielen verschieden orientierten Kristalliten besteht, deren Gleitsysteme zu Beginn der Verformung unterschiedlich orientiert sind.


Da die kritische Schubspannung jetzt orientierungsabhängig ist, wird sie in den unterschiedlich orientierten Kristalliten bei verschieden Werten der anliegenden, äußeren Spannung erreicht. Es werden also zunächst nur einzelne Kristallite überelastisch beansprucht, während andere noch rein elastisch verformt werden. Die plastische Verformung des Vielkristalls setzt also erst dann ein, wenn in allen Kristalliten die kritischen Schubspannungswerte erreicht wurden. Wegen der Behinderung durch anders orientierte Nachbarkristallite erfährt jeder Kristallit eine komplizierte Formänderung. In einem Vielkristall müssen dabei, wenn der Zusammenhalt an den Korngrenzen bei der plastischen Verformung gewahrt bleiben soll, in jedem Kristalliten bis zu fünf unabhängige Gleitsysteme aktiviert werden.
Die Betätigung ganz bestimmter Gleit- oder Zwillingssysteme bei der Verformung hat zur Folge, das jeder einzelne Kristallit neben seiner Form auch seine Orientierung ändert. Schließlich stellen sich in der Probe mehrere für den Verformungsprozeß typische Vorzugsorientierungen ein, die als Verformungstextur bezeichnet werden.

Je nach Art und Größe der Verformung kommt dabei zur Bildung von Gitterfehlern (Versetzungen, Stapelfehler, Leerstellen) und damit verbunden zu einer Änderung der physikalischen Eigenschaften. Durch thermische Behandlung (Glühung) können diese Eigenschaftsänderungen wieder aufgehoben werden. Man unterscheidet dabei die Prozesse Erholung und Rekristallisation. Zur Erholung gehören Vorgänge wie die Verringerung der Anzahl und die Änderung der Anordnung der Gitterfehler. Anders bei der Rekristallisation, wo durch die Anisotropie von Keimbildung und Keimwachstum i.A. ein völlig neues Gefüge ensteht, bleibt bei der Erholung die Form und die Orientierung der Kristallite im Wesentlichen unverändert. Das Beispiel zeigt (111) Polfiguren für vier verschiedene Messinglegierungen (2.2% Zn-links oben, 5.7%-rechts oben, 10.2%-links unten, 29.4%-rechts unten). Die linken Hälfte charaterisiert jeweils die Walztextur, die rechte Hälfte die Rekristallisationstextur(30' Glühung bei 425°C). Im Wesentlichen ist die Walztextur bei niedrigen Zn-Gehalt durch die "Kupfer-" bzw. "Messing-Lage" bei hohem Zn-Gehalt durch die "Messing-" bzw. "GOSS-Lage" beschrieben. Die Rekristallisationstexturen sind dagegen durch völlig andere Vorzugsorientierungen zu charakterisieren.


Quelle: G.Wassermann, Texturen metallischer Werkstoffe




Zum Inhalt